Opfer-Anwälte sprechen von Heuchelei
Kritik an Entschuldigung von Contergan-Hersteller
zuletzt aktualisiert: 01.09.2012 – 12:06
Sydney (RPO). Die Entschuldigung der Firma Grünenthal bei den Contergan-Geschädigten ist in Australien nicht gut angekommen. „Zu wenig, zu spät“, kommentierten am Samstag Anwälte, die Opfer des Arzneimittelskandals in Australien vertreten. Sie warfen Geschäftsführer Harald Stock Heuchelei vor. Grünenthal hat sich dort bislang einer Klage von Opfern widersetzt. Der Fall kommt nächstes Jahr vor das oberste Gericht im Bundesstaat Victoria.
Der Hersteller des Schlafmittels, das Anfang der 60er Jahre bei ungeborenen Kindern schwere Schäden verursachte, hatte am Freitag erstmals das Wort „Entschuldigung“ in den Mund genommen. Es sei bedauerlich, dass die Firma nicht früher auf die Opfer zugegangen sei, sagte Grünenthal-Geschäftsführer Harald Stock.
Die Anwaltsfirma Slater and Gordon Lawyers in Melbourne hatte in diesem Jahr mehrere Millionen Dollar für rund 130 Geschädigte erstritten, allerdings nicht von Grünenthal, sondern von dem Vertreiber des Medikaments in Australien. Grünenthal argumentierte, die Contergan-Geschädigten müssten in Deutschland prozessieren.
Kritik auch aus Großbritannien
Auch Britische Verbände von Opfern des Contergan-Skandals haben die Entschuldigung des Arzneimittelherstellers Grünenthal als nicht ausreichend kritisiert.
Das Unternehmen versuche weiter, den Mythos aufrechtzuerhalten, niemand habe wissen können, welche Schäden das Medikament anrichten könne, sagte Martin Johnson, Direktor der Stiftung Thalidomide, am Samstag dem Sender BBC. Das aber sei nicht richtig. Contergan war in Großbritannien unter dem Namen Thalidomide verkauft worden.
Freddie Astbury von Thalodomide UK forderte, es müsse endlich eine offene Diskussion über Entschädigungszahlungen geben. Contergan-Opfer Nick Dobrik sagte: „Wir sind der Meinung, eine ernsthafte Entschuldigung muss die Fehler einräumen, die gemacht wurden. Das hat die Firma nicht getan, und damit die Opfer beleidigt.“
Mehr als 50 Jahre nach dem Arzneimittelskandal hatte sich der frühere Contergan-Hersteller aus dem Rheinland am Freitag erstmals explizit bei den Opfern entschuldigt und ein Denkmal errichtet. Auch in Deutschland gab es Kritik. Die Firma Grünenthal hatte das Schlafmittel 1957 auf den Markt gebracht. Weltweit kamen etwa 10 000 Kinder mit schweren Missbildungen vor allem an Armen und Beinen zur Welt.